Mit der GAV nach Malta? Das Erasmus+-Programm der Europäischen Union macht es möglich. Lucas Kaldenhoff berichtet von seiner Anreise im April – quer durch Europa mit Bahn und Schiff!
Moment mal. Das ist doch viel zu weit und dauert viel zu lange, oder? Wie lange bist du da denn unterwegs? Ist das nicht teuer? Das waren ungefähr die Fragen, die ich zu hören bekam, als ich gesagt habe, ich möchte nicht fliegen, sondern mit dem Zug und der Fähre anreisen. „Wenn Sie alles selbst organisieren und buchen, dann kein Problem. Hauptsache, Sie sind rechtzeitig da.“ Gesagt getan. Aber von Anfang an:
Zunächst habe ich mich sehr intensiv mit der Planung beschäftigt, denn es gab mehrere Routen, die man hätte verwenden können. Hier galt es zunächst einmal Preise und Fahrzeiten zu vergleichen, alles in einer Excel zusammenzufassen und das beste auszuwählen. Ich bin auf Hin- und Rückfahrt mit vier verschiedenen Bahn- und einer Fährgesellschaft gefahren.
Nachdem ich die Route gefunden hatte, die für mich am besten passte, ging es ans Eingemachte. Es wurden diverse Accounts angelegt und schlussendlich eine Reise aus vielen Kleinteilen zusammengestückelt. Hierbei habe ich sehr darauf geachtet, die Umsteigezeiten jeweils nicht unter eine Stunde fallen zu lassen, da trotz des wirklich guten europäischen Netzes mit Störungen und Verspätungen gerechnet werden musste. Und wenn man so viele kleine Fahrten miteinander kombiniert, aber einzeln bucht, gelten auch keine Fahrgastrechte, weil es kein durchgehendes Ticket gibt. Deshalb lieber etwas mehr Umsteigezeit einplanen und auf der sicheren Seite sein. Und außerdem wäre es wirklich ungünstig, wenn der Anschlusszug ohne mich gefahren wäre, da das zu einer Kettenreaktion von Nicht-Erreichen meiner Züge geführt hätte. Nachdem das geklärt ist, können wir aber endlich loslegen.
Vor der Reise ist zudem zu beachten, was man an Gepäck mitnimmt. Zwar gibt es keine Gewichtsbegrenzung, wie beim Flugzeug, allerdings sollte man sein Zeug auch hier noch selbst tragen können. Ein Rollkoffer kommt hier, weil ich länger und ohne Hotel unterwegs bin, übrigens nicht infrage. Aber mit einem 65-Liter-Rucksack kommt man gut über die Runden. Man muss nur sparsam packen.
So. Alles gebucht, alles gepackt. Kann losgehen. Ich starte klassisch am Bremer Hauptbahnhof. Dort fahre ich um 14:09h mit dem IC ca. eine Stunde nach Hannover. Kurz 20 Minuten warten und ab in den ICE nach München. Der Zug ist gut voll, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass Gründonnerstag ist. Macht aber nichts, ich habe einen Sitzplatz, Kopfhörer und eine Beschäftigung. Gegen 19:44 h bin ich dann in München. Dort habe ich etwas Aufenthalt, den ich nutze, um mich etwas umzusehen und mit etwas Proviant einzudecken. 3,5 h gehen so recht schnell vorbei. Satt und zufrieden gehe ich wieder zum Bahnhof. Dort steht auch schon mein Zug. Der Nightjet der ÖBB. Der Zug ist aus verschiedenen Wagen für verschiedene Destinationen zusammengestellt und wird in Salzburg geteilt und mit anderen Wagen neu zusammengekuppelt. Ich steige in meinen Wagen und gehe zu meinem Abteil. Dort treffe ich auch meine Mitfahrer, mit denen ich dieses Abteil für diese Nacht teilen werde. Sie sind auf dem Weg nach Venezia Santa Lucia. Ich werde den Wagen eine Station vorher, in Venezia Mestre, verlassen.
Die Nacht verläuft ruhig, man schläft ein wenig gestapelt auf Klappliegen, doch die sind wirklich sehr bequem und für eine Nacht echt in Ordnung. Morgens gibt es noch ein kleines Frühstück, bestehend aus zwei Brötchen, Butter, Marmelade und Kaffee oder Tee. Dann haben der Zug und ich damit auch, Venezia Mestre erreicht. Hier muss ich aussteigen. 08:23h. Der Zug ist auf die Minute pünktlich. Ich habe hier nun circa eine Stunde, bis ich mich in Richtung Rom aufmache. Venezia Mestre ist der Teil von Venedig, der auf dem Festland liegt. Hier findet man eher normale Wohnhäuser, wenig Touristen und eine eher normale Stadt, mit normalen Straßen, Bürgersteigen etc. Ich habe mich trotzdem kurz auf den Weg gemacht und zumindest mal einen Blick auf die Umgebung geworfen.
Um 09:34 stand dann pünktlich der IC584 nach Rom am Gleis. Kuriosum hier: Die erste Klasse war bei Buchung günstiger als die Zweite. Da sage ich nicht nein, ich fahre also erste Klasse nach Rom. Im Zug selbst gab es breite Sessel, einen Fensterplatz und eine 2 – 1 Bestuhlung. Ich hatte einen Tisch und mir gegenüber saß eine ältere Dame, die Zeitung las. In diesem Zug hatte ich nun ungefähr 6 Stunden Zeit, um mir Italien in Bewegung anzusehen. Natürlich hätte man die Strecke auch schneller zurücklegen könne, Italiens Hochgeschwindigkeitsnetz ist nämlich sehr gut ausgebaut, allerdings hätte das auch direkt mindestens das doppelte gekostet. Da ich mit meinem Budget dann doch etwas beschränkt war, tat es der IC der ersten Klasse genauso gut. Norditalien ist wirklich sehr hübsch. Alles grün, viele kleine Dörfer, Städtchen, ab und an mal eine Casa auf einem Hügel…
Die Route führte mich von Venedig über Ferrara und Bologna nach Florenz und von dort weiter über Prato nach Rom. Wenn man mit dem Zug nach Rom hineinfährt, merkt man sofort, dass man in Rom ist. Denn Rom ist riesig. Ich habe zunächst in Roma Tiburtina, einem von mehreren Bahnhöfen gehalten, setzte meine Reise aber nach Roma Termini, dem großen Kopfbahnhof im Zentrum fort. Auch hier war ich sehr pünktlich. In Rom hatte ich dann knappe 7 Stunden bis zum nächsten Zug. Zeit für einen kleinen Ausflug. Ich habe mein Gepäck in einem Hotel in der Nähe abgegeben und nur einen kleinen Rucksack mit auf Tour genommen. Es gibt zwar auch Schließfächer im Bahnhof, aber die sind leider teuer und mein Rucksack war auch groß und sperrig. Über eine App konnte ich dann ganz einfach mit einem Hotel in der Nähe die Abgabe und Abholung ausmachen und mein Gepäck dort lassen. Losgegangen bin ich mit meiner Kamera und etwas Proviant.
Mein Ziel war es eigentlich zuerst etwas zu essen und dann ein wenig Sightseeing zu betreiben. Den Plan habe ich nach den ersten 50 Metern wieder verworfen und bin einfach drauflos gegangen. Rom kann man nicht an einem Tag besuchen und es war leider auch keine Zeit, um irgendwo hineinzugehen oder sich Dinge näher anzuschauen. Und doch glaube ich, habe ich ein wenig was mitgenommen. Mein Weg führte mich als erstes zum Kolosseum. Hier waren die Straßen sogar für Autos gesperrt und man hat mitbekommen, wie ruhig eine Großstadt eigentlich sein kann.
Das Kolosseum habe ich halb umrundet, mein Weg führte mich danach zum Forum Romanum und dem Circus Maximus. Die Bauwerke sind beeindruckend. Ich habe mich entschieden weiterzugehen, habe mir noch das Nationalmonument, das Pantheon, den Trevi Brunnen und die spanischen Treppen angesehen. Zwischendurch hatte ich auch eine echt italienische Pizza zum Abendessen. Auf dem Rückweg zum Bahnhof habe ich noch an einem Supermarkt gehalten, um etwas Proviant und Frühstück für die kommende Fahrt zu besorgen. Verpacke Schokocroissants, etwas Wasser und was das Herz sonst noch begehrt.
Ich habe mein Gepäck geholt und bin zum Bahnhof zurück. Hier fuhr der ICN1959 (IC Notte – Also der Nacht-IC) nach Syrakus auf Sizilien. Für mich gab es hier ein Abteil ganz für mich allein. Das hat mit der italienischen Corona-Regelung zu tun. War mir so aber auch ganz recht. Auch hier ließ es sich sehr gut schlafen. Der Zug hatte zudem nachts auch keine Zwischenhalte, sondern ist von 23:20h bis um circa 06:15 in einem durchgefahren. Morgens aufgewacht bin ich dann in Villa San Giovanni, in Kalabrien. Auf der Festlandseite der Straße von Messina. Hier geschieht nun etwas, was in Europa mittlerweile leider einmalig ist. Der Zug wird auf die Fähre verladen. Das wollte ich natürlich nicht verpassen und bin aufgestanden, obwohl der Zug nicht mal ansatzweise sein Ziel erreicht hatte.
Der Zug wurde nach und nach auf die Fähre verladen und dabei in zwei Teile geteilt. Einer ging nach Syrakus, der andere nach Palermo. Auf der Fähre konnte man dann entweder im Zug bleiben oder man ging ein bis zwei Stockwerke höher auf das Deck, wofür ich mich dann entschieden habe. Die Straße von Messina ist wirklich schön, aber gleichzeitig auch sehr gefährlich. Hier treffen zwei Meere unterschiedlicher Strömungen aufeinander und verursachen unberechenbare Strömungen in der Meerenge. Morgens war es noch ganz ruhig und die See ebenfalls. Nach einer Fahrt von knappen 20 Minuten bin ich dann auf der anderen Seite, in Messina, angekommen. Der Zug fuhr hier nach längerem Aufenthalt weiter zu seinem endgültigen Ziel: Syrakus. Auf dem Weg dorthin habe ich meinen Frühstücksproviant gegessen. Von der Trenitalia gab es einen Fruchtsaft und zwei Schoko-Kokos-Stäbchen. Gut , dass ich was eingepackt habe.
In Syrakus kam ich um circa 11:00 Uhr an. Die Stadt selbst hat ebenfalls eine sehr lange Geschichte. Archimedes hat hier wohl gelebt und geschaffen. Mittlerweile ist die Stadt aber sehr touristisch geprägt. Ich habe mich hier ans Meer verzogen und mir angesehen, wie sich die Wellen spektakulär an der Mole gebrochen haben. Nebenbei noch ein paar Worte mit anderen Deutschen gewechselt, die ich dort getroffen habe und dann ging es auch schon zurück zum Bahnhof. Die vorletzte Etappe führte mich nach Pozzallo und zum südlichsten Personenbahnhof in Europa. Die Strecke führt verschlungen durch viele landwirtschaftliche Gebiete, hauptsächlich mit Zitronen und Orangenbäumen.
In Pozzallo angekommen, stellte ich fest, dass es wenig bis gar keine Bürgersteige gibt und Italiener anscheinend keine Pizza vor 18 Uhr verkaufen. Mir war das leider zu spät, deshalb bin ich direkt zur Fähre gelaufen und habe die restlichen Hörnchen vom Morgen zu Abend gegessen. Das Einchecken zur Fähre verlief reibungslos. Es wurde der Personalausweis und das Impfzertifikat kontrolliert und kurz Fieber gemessen. Dann ging es aufs Schiff. Ich hatte leider etwas Seegang, weshalb ich die gesamte Fahrt, bis Valletta mehr oder weniger verschlafen habe. Aber draußen war es sowieso dunkel, deshalb tat das der Sache keinen Abbruch. In Valletta angekommen gab es die Kontrollen des Personalausweises und des Impfzertifikats ebenfalls nochmal. Ich habe mir dann ein Taxi gerufen, dass mich zum Hotel brachte, wo die anderen schon auf mich warteten.
Nach circa 50 Stunden Fahrt quer durch Deutschland, Österreich und Italien bin ich dann endlich auf Malta angekommen. Die Fahrt war zwar deutlich länger als ein Flug, hatte aber sehr viele, sehr schöne Facetten. Ich habe viele Erfahrungen, Eindrücke und Erinnerungen gesammelt, die noch sehr lange nachhalten werden. Ich habe mit dieser Fahrt bewiesen, dass es möglich ist, umweltfreundlich und ohne ein Flugzeug quer durch Europa (Nord nach Süd) zu reisen und dabei eine sehr schöne Zeit zu haben, die auf keinen Fall verschwendet ist.
Falls mich jemand fragen würde, ob ich es wieder so machen würde: Ja. Definitiv!
Lucas Kaldenhoff